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Die Forschungslinie des IAI

Von 2025 bis 2030 orientieren sich die Forschungsaktivitäten im Ibero-Amerikanischen Institut (IAI) an der Forschungslinie „Wissen – Kulturen – Medialitäten. Lateinamerika und die Karibik in transregionaler Perspektive“. Die Forschungslinie geht von den Sammlungen des Instituts und den im IAI vorhandenen wissenschaftlichen Expertisen aus, greift auf dessen Kooperationen und Netzwerke zurück und adressiert relevante globale gesellschaftliche Herausforderungen. Sie entspricht somit dem Profil des IAI und seiner Rolle für den Verbund SPK (Download des Papiers zur Forschungslinie 2025 - 2030 als PDF (PDF, 192,71 KB) (öffnet neues Fenster), (diese Datei ist nicht barrierefrei)). 

Wissen – Kulturen – Medialitäten. Lateinamerika und die Karibik in transregionaler Perspektive

Von 2025 bis 2030 orientieren sich die Forschungsaktivitäten im IAI an der Forschungslinie „Wissen – Kulturen – Medialitäten. Lateinamerika und die Karibik in transregionaler Perspektive“. Das IAI spricht bewusst von einer Forschungslinie, nicht von einem Forschungsschwerpunkt. Damit wird der Tatsache Ausdruck verliehen, dass die Wissenschaftler*innen des Instituts neben ihren Beiträgen zur Forschungslinie weitere wissenschaftliche Aktivitäten realisieren, die es ihnen ermöglichen, ihre individuellen Expertisen und Vernetzungen optimal zu nutzen. 

Mit der Forschungslinie verfolgt das IAI drei grundlegende strategische Ziele. Erstens stärkt die Orientierung an einer Forschungslinie die inhaltliche Zusammenarbeit sowie den disziplinenübergreifenden Austausch im Institut. Zweitens werden in der Forschungslinie die Forschungsaktivitäten im IAI gebündelt. Dadurch werden nicht nur gemeinsame Forschungen initiiert und entwickelt, sondern auch Grundlagen für die Einwerbung von Drittmitteln geschaffen. Drittens werden durch die Forschungslinie die vielfältigen Forschungsaktivitäten des Instituts mit einem klar wahrnehmbaren Profil nach außen vermittelt. 

Die Forschungslinie „Wissen – Kulturen – Medialitäten. Lateinamerika und die Karibik in transregionaler Perspektive“ beruht auf den Ergebnissen, Beiträgen und Erfahrungen der bisherigen Forschungslinien des IAI, setzt aber neue Akzente und entwickelt neue Fragestellungen. 

Im Zentrum der Forschungslinie stehen drei Themenfelder: 1) „Wissensproduktion und Wissenszirkulation“, 2) „Kulturproduktion und Kulturtransfer“ sowie 3) „Umstrittenes Kulturerbe“. Diese Themenfelder entsprechen dem Profil des IAI und seiner Rolle für den Verbund SPK. Sie gehen von den Sammlungen des Instituts und den vorhandenen wissenschaftlichen Expertisen aus, greifen auf dessen Netzwerke und Kooperationen zurück, berücksichtigen aktuelle wissenschaftliche Debatten und adressieren relevante globale gesellschaftliche Herausforderungen. 

Wir verwenden Kulturen und Wissen im Plural, um auf die Vielfalt und Divergenz von Kultur- und Wissensbegriffen im Spannungsfeld verschiedener Disziplinen, Traditionen und Praktiken zu verweisen. Unter Medialitäten verstehen wir Praktiken, Kontexte und Konfigurationen, die sowohl die materiellen als auch die immateriellen Dimensionen von Sprache, Bild, Ton und Musik berücksichtigen. Hierbei wird auch die Intermedialität, d.h. die Beziehungen, Verknüpfungen und Brüche zwischen einzelnen Medien berücksichtigt, aber auch die Gleichzeitigkeit verschiedener – analoger und digitaler – Ausdrucksformen, Materialitäten und Repräsentationen. 

Im Folgenden werden die drei zentralen Themenfelder der Forschungslinie und die mit ihnen verbundenen wichtigsten Fragestellungen kurz skizziert.

Themenfeld 1: Wissensproduktion und Wissenszirkulation

Das IAI ist ein in dieser Konfiguration einmaliger Ort, an dem sich die Wissensproduktion in und über Lateinamerika und die Karibik in einer Vielfalt von Medialitäten findet, sowohl analog und digital, nicht nur in Form von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen, sondern auch in Form von Nachlässen, Bilddokumenten, Tonträgern, Archiven von Institutionen, Landkarten, Grafiken und anderen Beständen. Vor diesem Hintergrund ist für das Institut eine kritische Auseinandersetzung mit den Akteuren, Prozessen, Institutionen und Infrastrukturen, die für die Produktion und Zirkulation von Wissen maßgeblich sind, zentral, denn sie ermöglicht es, theoretische und methodische Reflexionen mit praktischen Anwendungen zusammenzuführen. Es geht darum, die durch persistente multidimensionale Ungleichheiten (u.a. Differenzen bezüglich Einkommen, Geschlecht, Kultur, Ethnizität) und transregionale Verflechtungen geprägten Prozesse der Wissensproduktion und Wissenszirkulation zu analysieren, differenzierter zu erklären und zu verstehen, um so einen Beitrag zu deren Reduzierung leisten zu können. Dies erfordert auch ein umfassenderes Verständnis von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Anerkennung von Diversität und Differenz sowie die Inwertsetzung unterschiedlicher Wissensformen und Wissenspraktiken. Die Einbeziehung der Chancen und Risiken der digitalen Transformation ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung; nicht allein um die grundlegenden Transformationen der Produktion, Zirkulation und Aneignung von Wissens zu erfassen, sondern auch um der Frage nachzugehen, ob die digitale Transformation Ungleichheiten reduziert oder vielmehr diese verstärkt oder sogar neue schafft. 

Das multidisziplinäre und transdisziplinäre Themenfeld Wissensproduktion und Wissenszirkulation konzentriert sich nicht auf einen klar abgegrenzten Untersuchungsgegenstand. Vielmehr verdichtet es unterschiedliche theoretische, methodische und empirische Perspektiven.

Zentrale Fragestellungen im Kontext dieses Themenfeldes lauten:

  • Welche Akteure, Prozesse, Institutionen und Infrastrukturen sind für die Produktion und Zirkulation von Wissen in und zu Lateinamerika und der Karibik maßgeblich? Welche Muster und Strategien sind angesichts persistenter multidimensionaler Ungleichheiten in Prozessen der Wissensproduktion und –zirkulation zu erkennen?
  • Mit welchen Herausforderungen und Barrieren sind nicht-westliche, indigene und afroamerikanische Wissensformen und Wissenspraktiken konfrontiert? Können kollaborative Formate der Wissensproduktion und Praktiken der Offenen Wissenschaft zu ihrer Sichtbarmachung, Zirkulation und Rezeption beitragen?
  • Welche Auswirkungen hat die digitale Transformation auf die Produktion und Zirkulation von Wissen in und zu Lateinamerika und der Karibik? Welche Konsequenzen hat die zunehmende Durchdringung wissenschaftlicher Praktiken durch künstliche Intelligenz für die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften? 

Themenfeld 2: Kulturproduktion und Kulturtransfer

Das Themenfeld analysiert Kulturproduktion und Kulturtransfer in Lateinamerika und der Karibik, unter Einbeziehung ihrer historischen Dimensionen und transregionalen Verflechtungen. Unterschiedliche theoretische und methodische Ansätze der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften haben Konzepte wie Transkulturation, mestizaje, Hybridität und Kreolisierung zur Erforschung der spezifischen Ausprägungen, Inhalte und Medialitäten lateinamerikanischer und karibischer Kulturproduktionen entwickelt. Bei der Analyse von Prozessen des Kulturtransfers, also der Rezeption, Aneignung, Übersetzung und Transformation von kulturellen Bedeutungen, Praktiken und Repräsentationen, werden die durch multidimensionale Ungleichheiten und Differenz geprägten gesellschaftlichen Kontexte einbezogen.

Die multimedialen Sammlungen des IAI ermöglichen innovative Verknüpfungen von Text-, Ton- und Bildquellen. Diese einmaligen und miteinander vernetzten Materialien sind in ihrer historischen Tiefe, geographischen Breite und kulturellen Vielfalt für die Forschung zu Kulturproduktion und Kulturtransfers von herausragender Bedeutung. Auch die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kultur, wie sie über das Veranstaltungsprogramm des IAI umgesetzt wird, setzt in diesem Zusammenhang wichtige inhaltliche Impulse.

Zentrale Fragestellungen im Kontext dieses Themenfeldes lauten:

  • Was sind zentrale Akteure, Mittlergruppen und Institutionen der Kulturproduktion und des Kulturtransfers in Lateinamerika und der Karibik? Welche Rolle spielen sie für die Sichtbarmachung der kulturellen Produktion der Region in Europa, insbesondere in Deutschland?
  • Wie beeinflussen technologische, kulturelle, politische und soziale Veränderungen Medialitäten, Intermedialitäten und Darstellungsformen in Lateinamerika und der Karibik? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich durch die digitale Transformation für kulturelle Produktions- und Distributionswege sowie für den (trans)regionalen Kulturtransfer?
  • Wie sind Kulturproduktion und Kulturtransfers durch asymmetrische Konfigurationen geprägt? Welche Rolle spielt die kulturelle und sprachliche Vielfalt Lateinamerikas und der Karibik in diesem Zusammenhang?

Themenfeld 3: Umstrittenes Kulturerbe

Sammlungen und Sammlungsinstitutionen wie Museen, Bibliotheken und Archive sind in den letzten Jahrzehnten zum Ausgangspunkt von gesellschaftlichen Debatten um materielles und immaterielles Kulturerbe geworden. Dabei zeigen sich heuristische Grenzen statischer und essentialistischer Konzepte von kulturellem Erbe, die im Kontext von Nationalstaaten entstanden sind, durch bestimmte Arten von Wissen legitimiert und durch die Logik zentralisierter Wissensinfrastrukturen organisiert werden. Demgegenüber haben praxisorientierte Konzepte von Kulturerbe, die Zugänglichkeit, Teilhabe und Multiperspektivität im Umgang mit kulturellen Objekten und Medien betonen, an Bedeutung gewonnen. Sie betrachten materielles und immaterielles Kulturerbe aus einer dialogischen und prozessualen Perspektive. Im Kontext von Sammlungen zu Lateinamerika und der Karibik ist die Auseinandersetzung mit indigenen und afro-amerikanischen Gruppen zu einer wichtigen Herausforderung für Sammlungsinstitutionen geworden. Damit gehen Prozesse der Re-zirkulation, Wiederaneignung, Restitution und Umdeutung von Objekten einher. Sie schaffen neue, transregionale Beziehungsgeflechte, legen aber auch rechtliche Inkommensurabilitäten offen, da kulturelle Objekte sich widersprechenden Rechtsregimen unterworfen sein können.

Das IAI verfolgt im Hinblick auf Fragen des Umgangs mit Kulturerbe einen kritischen und reflexiven Ansatz, in dem die komplexen Verhältnisse zwischen dem sogenannten globalen Norden und dem sogenannten globalen Süden zentral sind. Hierbei trägt es auch der Tatsache Rechnung, dass es eine Einrichtung der SPK ist, einer Kulturerbeinstitution mit gesamtstaatlichen Aufgaben. Die Sammlungen des Instituts zu Lateinamerika und der Karibik und deren Komplementarität mit den Beständen anderer Einrichtungen der SPK, insbesondere dem Ethnologischen Museum, spielen in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle.

Zentrale Fragestellungen im Kontext dieses Themenfeldes lauten:

  • Welche Konzeptualisierungen, gesellschaftlichen Debatten sowie Rechtsrahmen, Prozesse und Praktiken gibt es in Europa und Lateinamerika/Karibik im Hinblick auf Kulturerbe? Welche wechselseitigen Lernprozesse im Umgang mit materiellem und immateriellem Kulturerbe sind zwischen Deutschland/Europa und Lateinamerika/Karibik möglich? Welche Formen der Zusammenarbeit zwischen zentralen Wissensinfrastrukturen einerseits und fluiden, kommunitären Wissensinfrastrukturen von indigenen oder afroamerikanischen Gruppen andererseits gibt es?
  • Welche Auswirkungen hat die digitale Transformation auf das Verständnis von Kulturerbe und den Umgang mit Sammlungen? Welche Chancen, welche Herausforderungen bringt sie mit sich? Welche Ungleichheiten werden durch die digitale Transformation reduziert, welche vergrößert oder neu geschaffen? Welche Fragen der Daten-Souveränität stellen sich?
  • Welche Strategien entwickeln Museen, Bibliotheken und Archive, um die Zugänglichkeit zu ihren Sammlungen zu erhöhen, die Teilhabe zu verbessern und Prozesse der Re-zirkulation, Wiederaneignung und Restitution von Objekten zu fördern? 

Die Umsetzung der Forschungslinie

Das IAI bezieht die inhaltlichen Schwerpunkte der Forschungslinie "Wissen – Kulturen – Medialitäten. Lateinamerika und die Karibik in transregionaler Perspektive" in den Jahren 2025 bis 2030 auf vielfältige Art und Weise in seine Aktivitäten und in die Weiterentwicklung seiner Arbeitsbereiche ein. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Einwerbung von Drittmitteln. Hinzu kommen weitere Forschungsaktivitäten, Publikationen und Vorträge sowie die Organisation von Tagungen, Symposien, Workshops und Ausstellungen. Auch das institutionelle Publikationsprogramm sowie das Gastwissenschaftler*innen-Programm des IAI (inkl. IAI Stipendien und Fellowships) liefern wichtige Beiträge zu den Themenfeldern der Forschungslinie. 

Ein wichtiges Format, welches nicht allein für die Verknüpfung der Arbeitsbereiche des IAI, die Vernetzung mit nationalen und internationalen Forschungsinstitutionen sowie den wissenschaftlichen Austausch über Disziplingrenzen hinweg eine Rolle spielt, sondern auch innovative Impulse für die Forschungslinie setzt, ist das Forschungskolloquium des IAI. Es dient der Präsentation von Forschungsprojekten der Gastwissenschaftler*innen und der Institutsmitarbeiter*innen sowie dem Ideenaustausch und der Diskussion über epistemologische und methodische Fragen.

Eine multidisziplinäre Vortragsreihe zur Forschungslinie trägt dazu bei, unterschiedliche disziplinäre Perspektiven auf die drei Themenfelder zu beziehen und sie miteinander zu verknüpfen. Dabei geht es auch darum, stärker disziplinär orientierte Forschungen mit Regionalforschungen in einen produktiven Austausch zu bringen. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Vortragsreihe ist der Dialog zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Wir wollen zeigen, wie wichtig das Wissen über und der Erfahrungsaustausch mit Lateinamerika und der Karibik für die Gestaltung unserer eigenen Gegenwart und Zukunft in Deutschland und Europa sind. Diese Rückbindung der Lateinamerika- und Karibikforschung an deutsche und europäische Debatten will das IAI durch seine Forschungslinie stärken. In jährlichen Überblicken wird die konkrete Umsetzung der Forschungslinie im Detail veranschaulicht und dokumentiert. 

Vortragsreihe

Die Vortragende am Stehpult, im Hintergrund auf der Bühne wird ein Bild projiziert aus einem Theaterstück
 “Mujer - escenario - arte acción el el Perú” von Ana Correa, 26.10.2023, IAI © Ibero-Amerikanisches Institut
Powerpaola und Amadeo Gandolfo im Gespräch auf der Bühne; im Hintergrund Projektion aus einem Comic
Gespräch “Yo siempre estoy lejos. Fanzines y comics latinoamericanos atravesando fronteras” mit Powerpaola und Amadeo Gandolfo, 1.2.2024, IAI  © Ibero-Amerikanisches Institut

Begleitend zur Forschungslinie findet die interdisziplinäre Vortragsreihe "Wissen – Kulturen – Medialitäten" statt. Die Vorträge im Rahmen der Reihe sind bewusst nicht auf Lateinamerika beschränkt, da es uns auch darum geht, mit Wissenschaftler*innen ins Gespräch zu kommen, die sich außerhalb der Lateinamerikaforschung mit den Themen Wissensproduktion und Kulturtransfer beschäftigen.

Termine der Vortragsreihe

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