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Lehmann-Nitsche, Robert (1872-1938)

Robert Lehmann-Nitsche wurde am 9. November 1872 in Radomitz (Posen) geboren. Nach dem Studium der Naturwissenschaft (1894 Dr. rer. nat.), Anthropologie (1894 Dr. phil.) und Medizin (1897 Dr. med.) in Freiburg, München und Berlin ging er im Alter von 25 Jahren nach Argentinien. Dort arbeitete er ab 1897 am Forschungsinstitut des Museo de La Plata (La Plata), wo er Leiter der Abteilung Anthropologie wurde. Das Museo de La Plata ist das größte naturalistische, archäologische und ethnologische Museum Argentiniens. Lehmann-Nitsche unterrichtete sowohl im Museo de La Plata, wie auch an der Universidad Nacional de Buenos Aires, der bedeutensten Universität Argentiniens. Ab 1909 führte er auch Lehrveranstaltungen in Anatomie an der Academia Nacional de Bellas Artes (Buenos Aires) durch. Daneben war er Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Vereinigungen in Argentinien, Frankreich und Deutschland. Schnell war Lehmann-Nitsche in die wissenschaftliche Gemeinschaft in Argentinien eingebunden, baute seine Kontakte weiter aus und knüpfte auch zahlreiche Verbindungen zu internationalen Kollegen. So entstand ein großes wissenschaftliches Netzwerk, von dem die zahlreiche Korrespondenz im Nachlass (ca. 5.500 Briefe, Postkarten und Telegramme) Zeugnis ablegt.
In Argentinien begann Lehmann-Nitsche seine Forschungen auf die Gebiete der materiellen Kultur, Folklore, Linguistik, Ethnologie und Mythologie auszuweiten. Dazu unternahm er zwischen 1900 und 1926 zahlreiche Forschungsreisen innerhalb Argentiniens, unter anderem in den Chaco und nach Feuerland, auf denen er nicht nur Sprachstudien realisierte, Interviews führte, Erzählungen und Legenden aufzeichnete und Sammlungen für Museen anlegte, sondern auch Tonaufnahmen auf Wachswalzen anfertigte. Auf diesen Forschungsreisen aufbauend entstand in den folgenden Jahren ein umfangreiches wissenschaftliches Werk, das über 350 Publikationen umfasst. Daraus ragen vor allem seine Arbeiten zur argentinischen Folklore, Ethnologie und Ethnolinguistik heraus. Zahlreiche seiner Unterlagen sind noch nicht bearbeitet oder veröffentlicht worden und befinden sich heute im Nachlass.
Nach seiner Pensionierung kehrte Lehmann-Nitsche 1930 nach Deutschland zurück, wo er am 8. April 1938 in Berlin verstarb. 1939 und Anfang der 50er Jahre kaufte das Ibero-Amerikanische Institut Teile des Nachlasses von der Witwe. Eine zum Nachlass gehörende Sammlung bedeutender Trivialliteratur, die sogenannte „Biblioteca Criolla“, ist in die Bestände der Bibliothek eingearbeitet worden.
Der Nachlass setzt sich zusammen aus ungefähr 33 Manuskripten, 4 Notizbüchern, 55 Kapseln Korrespondenz (ca. 5.500 Briefe), 27 Kapseln mit Fotos und Postkarten (ca. 2.200 Fotos), 1 Sammlung Visitenkarten, 5 Kapseln Zeitungsausschnitte (ca. 350 Zeitungsausschnitte), 3 Alben mit eingeklebten Zeitungsausschnitten, 1 Mappe Großformate (Zeitungsausschnitte), 1 Album mit eingeklebten Weihnachtsgrußkarten, 5 Kapseln mit Urkunden und Lebensdokumenten, 3 Fotoalben, 1 Album mit Postkarten. Durch ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes Projekt konnte der Nachlass im Jahr 2009 vollständig erschlossen werden. Alle Bestandteile des Nachlasses sind über den Online-Katalog recherchierbar.



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